Achtsamkeit und das Vegetative Nervensystem
Achtsamkeit, oft durch Meditation und ähnliche Praktiken gefördert, hat sich als wirksames Mittel zur Reduzierung von Stress und zur Förderung des Wohlbefindens erwiesen. Ein zentraler Aspekt dieser Wirkung ist die Beeinflussung des vegetativen Nervensystems (VNS), das eine entscheidende Rolle bei der Regulierung von Stressreaktionen spielt.
Auswirkungen von Achtsamkeit auf das Vegetative Nervensystem
Herzfrequenzvariabilität (HRV) und Parasympathische Aktivität
Studien zeigen, dass Achtsamkeit die parasympathische Aktivität erhöht, was durch eine verbesserte Herzfrequenzvariabilität (HRV) angezeigt wird. Dies wurde sowohl bei schwangeren Frauen als auch bei Kindern beobachtet, die an Achtsamkeitsprogrammen teilnahmen (Braeken et al., 2017; Ivaki et al., 2021; Heckenberg et al., 2018). Eine erhöhte HRV ist ein Indikator für eine bessere autonome Balance und Stressresistenz.
Sympathische Aktivität
Achtsamkeitsbasierte Interventionen (MBIs) können die sympathische Reaktivität reduzieren, was zu einer geringeren Stressreaktion führt. Dies wurde bei Patienten mit chronischen Erkrankungen wie chronischer Nierenerkrankung beobachtet, wo eine Reduktion der sympathischen Reaktivität während mentalem Stress festgestellt wurde (Churchill et al., 2023; Jeong et al., 2024).
Achtsamkeit in verschiedenen Bevölkerungsgruppen
Schwangere Frauen
Bei schwangeren Frauen wurde festgestellt, dass Achtsamkeit nicht nur die emotionale Belastung reduziert, sondern auch die parasympathische Aktivität während der Schwangerschaft stabilisiert. Dies könnte positive Auswirkungen auf die soziale und emotionale Entwicklung der Kinder haben (Braeken et al., 2017).
Kinder und Jugendliche
In Studien mit Kindern und Jugendlichen, die an Achtsamkeitsprogrammen teilnahmen, wurde eine Verbesserung der autonomen Funktion und der sozialen Fähigkeiten festgestellt. Diese Programme können auch langfristig das Verhalten positiv beeinflussen (Ivaki et al., 2021; Boxmeyer et al., 2023).
Erwachsene mit medizinischen Bedingungen
Bei Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann Achtsamkeit die autonome Dysregulation verbessern und somit die Gesundheit positiv beeinflussen (Churchill et al., 2023).
Herausforderungen und zukünftige Forschungsrichtungen
Langfristige Effekte und Mechanismen
Obwohl kurzfristige Verbesserungen der autonomen Funktion durch Achtsamkeit gut dokumentiert sind, sind die langfristigen Effekte und die genauen Mechanismen, durch die Achtsamkeit das VNS beeinflusst, noch nicht vollständig verstanden. Zukünftige Studien sollten sich auf die Langzeitwirkungen und die Identifizierung spezifischer biologischer Marker konzentrieren (Heckenberg et al., 2018; Jeong et al., 2024).
Studienqualität und -design
Viele der bisherigen Studien weisen methodische Einschränkungen auf, wie kleine Stichprobengrößen und fehlende Kontrollgruppen. Zukünftige Forschung sollte robustere Designs verwenden, um die Wirksamkeit von Achtsamkeitsinterventionen besser zu validieren (Ivaki et al., 2021; Churchill et al., 2023).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Achtsamkeit vielversprechende Effekte auf das vegetative Nervensystem hat, die zu einer besseren Stressbewältigung und allgemeinen Gesundheit führen können. Weitere Forschung ist jedoch notwendig, um die langfristigen Vorteile und die zugrunde liegenden Mechanismen vollständig zu verstehen.
Studien zu Achtsamkeit und vegetativem Nervensystem
Braeken, M., Jones, A., Otte, R., Nyklíček, I., & Van Den Bergh, B. (2017). Potential benefits of mindfulness during pregnancy on maternal autonomic nervous system function and infant development.. Psychophysiology, 54 2, 279-288. https://doi.org/10.1111/psyp.12782
Ivaki, P., Schulz, S., Jeitler, M., Kessler, C., Michalsen, A., Kandil, F., Nitzschke, S., Stritter, W., Voss, A., & Seifert, G. (2021). Effects of yoga and mindfulness practices on the autonomous nervous system in primary school children: A non-randomised controlled study.. Complementary therapies in medicine, 102771. https://doi.org/10.1016/j.ctim.2021.102771
Heckenberg, R., Eddy, P., Kent, S., & Wright, B. (2018). Do workplace-based mindfulness meditation programs improve physiological indices of stress? A systematic review and meta-analysis.. Journal of psychosomatic research, 114, 62-71. https://doi.org/10.1016/j.jpsychores.2018.09.010
Boxmeyer, C., Stager, C., Miller, S., Lochman, J., Romero, D., Powell, N., Bui, C., & Qu, L. (2023). Mindful Coping Power Effects on Children’s Autonomic Nervous System Functioning and Long-Term Behavioral Outcomes. Journal of Clinical Medicine, 12. https://doi.org/10.3390/jcm12113621
Churchill, R., Swartz, B., Johnston-Dumerauf, A., & Halaris, A. (2023). The Impact of Mindfulness-Based Interventions on Objective Physiological Measures of Autonomic Function for Individuals With Medical Conditions: A Review of the Evidence. Psychosomatic Medicine, 86, 2 – 10. https://doi.org/10.1097/PSY.0000000000001260
Jeong, J., Zanuzzi, M., Dacosta, D., Li, S., & Park, J. (2024). Mindfulness-Based Stress Reduction and Autonomic Modulation in Chronic Kidney Disease. Physiology. https://doi.org/10.1152/physiol.2024.39.s1.706